Die richtigen Worte für das Erlebte

Worum geht es eigentlich beim Biographischen Schreiben? Was wollen wir? Wollen wir einen roten Faden suchen, der vielleicht unser Leben durchzieht, vielleicht hineinreicht bis in das Leben der Generationen vor uns? Wollen wir vielleicht Brüche glätten in unserem Leben, uns und den potentiellen Lesern die eigene Vergangenheit ein wenig schönschreiben? Wollen wir einfach mal festhalten, was uns in den Sinn kommt? Benedict Wells, einer der besten zeitgenössischen deutschen Schriftsteller, der jung ist und für den ein Wort passt, das ich eigentlich nicht mehr hören kann, nämlich: authentisch, hat jetzt in einem Interview in der SZ auf sehr besondere Art zusammengefasst, warum er schreibt. Er sagt: „Das ist ja auch einer der Gründe, warum ich schreibe, im Zweifel sogar der wichtigste: dass ich in eine Zeit zurückkehren kann, ich der ich keine richtigen Worte hatte für das Erlebte. Und jetzt habe ich sie vielleicht.“

Vorher hatte er beschrieben, wie er als 19-Jähriger nach dem Abi nach Berlin gegangen ist, er wollte es als Schriftsteller versuchen, er hatte überhaupt kein Geld und ernährte sich im Wesentlichen von irgendeinem komischen Müslitrank. Das Schlimme aber war, aus dem letztlich sein sehr schönes Buch „Spinner“ entstanden ist, dass er erst nicht in der Lage war, das, was er schreiben wollte, zu schreiben. Er hatte die Bilder im Kopf, aber er sagt in dem Interview, was auf dem Papier davon ankam, sei ganz anders gewesen. „Ich arbeitete tagsüber und schrieb dann nachts wie besessen, aber alles, was ich zu Papier brachte, war Mist. Wie konnte das sein, dass man diese bunten Bilder im Kopf hatte, und dann waren sie schwarz auf weiß ganz anders, oft wie eine krasse Fehlübersetzung.“

So ist es beim Schreiben, aber man darf nicht aufgeben.

Noch eine Stelle in dem Gespräch hat mir besonders gefallen: Wells, der übrigens der Enkel ist von Baldur von Schirach und diese Tatsache so schlimm fand, dass er sich umbenannt hat (nach Homer Wells aus Irvings „Gottes Werk und Teufels Beitrag“), fuhr als junger Erwachsener ziemlich hopplahopp nach Barcelona beziehungsweise: Er zog dorthin. Im Interview sagte er: „Damals hatte ich mein nächstes Buch um ein Jahr verschoben, war dadurch pleite und nicht mal krankenversichert. Ich hatte verschiedene Ängste und bin im Grunde eh ein Schisser. Aber dann saß ich da am Strand, trank einen Kaffee für 1 Euro 30 und dachte beim Blick aufs Meer: Hier bin ich richtig.“

Von ihm erscheint dieser Tage ein neuer Roman bei Diogenes, er heißt „Hard Land“. Ich werde ihn auf jeden Fall lesen.