„Es ist ein Garten, den ich manchmal sehe…“

Der ohnehin tolle Verlag Kiepenheuer & Witsch hat eine neue, schöne Buchreihe aufgelegt, sie heißt „Bücher meines Lebens“. Band zwei der Reihe geht über Gottfried Benn, geschrieben hat ihn Florian Illies. Auch wer bislang nichts mit Benn, der ja auch nicht einfach zu verstehen ist und der sich, so Illies, vermutlich selbst nicht immer verstand, anfangen konnte, ist mit der Lektüre gut beraten. Klar, Benn war kein Sympathieträger, ständig betrog er seine Frau, und er betrog auch die Geliebten, mit der er seine Frau betrog. Er konnte irgendwie anscheinend nicht anders, wer ihm schrieb und weiblich war, bekam zweideutige Post zurück.

Das Schöne an dem Büchlein ist nicht nur, dass Illies darin seine persönliche Geschichte mit „Big Benn“, wie er den Dichter für sich mal nannte, erzählt. Dass er die Stellen im Werk von Benn zitiert, die er besonders schön findet, aber auch die Stellen, die ihm ein Rätsel geblieben sind, bis heute. Dass er eine Liste macht mit Lieblingssätzen seines Lieblingsdichters, etwa: „Leben ist Brückenschlagen über Ströme, die vergehen“ oder „Wer allein ist, ist auch im Geheimnis“, und: „Sich irren und dennoch seinem Innern weiter Glauben schenken müssen, das ist der Mensch“. Vor allem der letzte Satz galt für niemanden so sehr wie für Benn selbst, der spät, zu spät für jemanden wie Klaus Mann, die Nationalsozialisten durchschaut hatte. Und sich dann erst versuchte, zu distanzieren, aber es gelang ihm nicht mehr besonders gut.

Schön an dem Buch ist auch die ganze Struktur, die Gliederung, der ausführliche Lebenslauf im Anhang. Die Kapitel heißen: „Gottfried Benn lässt sich nicht berühren“, „Gottfried Benn leuchtet“, oder „Gottfried Benn irrst sich“ und, am Schluss: „Gottfried Benn erinnert sich“. Genau in dem Kapitel, in dem es darum geht, wie und wann Benn zurückblickte aufs eigene Aufwachsen, wird auch der viertel Teil des „Epilogs“ zitiert – drei Strophen, die einfach umwerfend sind. Die erste geht so:

„Es ist ein Garten, den ich manchmal sehe / östlich der oder, wo die Ebenen weit, / ein Graben, eine Brücke, und ich stehe / an Fliederbüschen, blau und rauschbereit.“

Über das schöne Wort „rauschbereit“ schreibt Illies natürlich auch, und sein wunderbares Büchlein beginnt mit dem Satz: „Je länger ich Gottfried Benn liebe, desto weniger verstehe ich meine Liebe.“

Kuratiert wird die Reihe bei Kiepenheuer & Witsch von Volker Weidermann, der mit Illies zusammen ja bei der „Zeit“ war, und man kann nur hoffen, dass die Reihe viele viele Fortsetzungen findet.