Das neue Buch von Florian Illies, „Die Liebe in Zeiten des Hasses“, das allerdings schon im Herbst rausgekommen ist, passt ja vom Titel her ganz gut in die Zeit. Es spielt aber natürlich nicht in der Gegenwart – sondern bezieht sich auf die Jahre 1929 bis 1939. Auf die vier Jahre vor der Machtergreifung, das Jahr der Machtergreifung, die sechs Jahre nach der Machtergreifung bis zum Krieg. Da war dann nicht mehr viel mit Liebe, jedenfalls nicht in Deutschland.
Florian Illies, der mal den Rowohlt-Verlag geleitet hat, einem Auktionshaus vorstand, jetzt Mitherausgeber der „Zeit“ ist, hat ja vor genau zehn Jahren „1913. Der Sommer des Jahrhunderts“ veröffentlicht, bestehend aus lauter kleinen, hübschen Feuilletons darüber, wie Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler die schönen, wenn auch schon leicht verschatteten Monate vor der Urkatastrophe des letzten Jahrhunderts verbracht haben.
„Die Liebe in Zeiten des Hasses“ ist genau so konzipiert, auch hier wird wieder schlaglichtartig erzählt, wer was wann wie macht, beziehungsweise: Wer wann wie heftig sich in wen verliebt, sich dann vielleicht irgendwann wieder entliebt, was immer. Das Buch ist klug unterteilt in die Kapitel „davor“, „1933“ und „danach“, und manchmal legt man es beiseite und macht die Augen zu, weil man kaum ertragen kann, sich vorzustellen, was man grade gelesen hat. Wie Elke Lasker-Schüler im Februar 1933 von Nazis in Berlin auf offener Straße so schlimm zusammengeschlagen wird, dass ihre Zunge genäht werden muss. Wie Viktor Klemperer es nicht schafft, noch rauszukommen aus Deutschland, wie sich am 22. Mai 1939, obwohl im Exil in New York, Ernst Toller erhängt. Dann stirbt auch Josef Roth, dessen Leber kapituliert hat, dann schreibt Stefan Zweif an Romain Rolland: „Wir werden nicht alt, wir Exilierten. Ich habe ihn wie einen Bruder geliebt.“
Auch Brecht kommt vor im Buch und betrügt die arme Helene Weigel in einer Tour, und Klaus Mann kommt von den Drogen nicht los, und Hesse ist sowieso dauer-unglücklich. Picasso derweil, der eigentlich eh nur malen will, aber ohne Frauen nicht malen kann, verguckt sich 1937 in einem Café in Dora Maar. Sie muss damals schon ein bisschen einen durchgeknallten Eindruck gemacht haben, was ihn aber offensichtlich nicht störte. War jemand auch glücklich, von den politischen Umständen mal abgesehen? Durchaus, meinte Florian Illies im Herbst, als er sein schönes Buch im Literaturhaus in München vorgestellt hat. Véra und Vladimir Nabokov etwa hätten eine gute Beziehung geführt, jedenfalls ab dem Moment, in dem sie sich beide vornahmen, seine Affäre mit einer Hundefriseurin zu vergessen.
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