Man weiß es – und wie sollte es auch anders gewesen sein: die Entnazifizierung der Deutschen durch die Amerikaner ist die Geschichte eines einzigen, großen Scheiterns. Der Nationalsozialismus hatte sich bei einer übergroßen Mehrheit der 13 Millionen Deutschen, die nach dem zweiten Weltkrieg noch am Leben waren, im Kopf fest eingenistet, 8,5 Millionen Deutsche waren Mitglied gewesen der Partei. Und natürlich fing in der Stunde Null nicht alles einfach von vorn an wie im Märchen, wenn das arme Aschenputtel den Prinz bekommen hat. Sondern die Stunde Null war nur das Aufräumen der Trümmerlandschaften, in die die Städte in Deutschland sich verwandelt hatten. Derweil blieben die inneren Trümmerlandschaften, geformt aus Schuld, Scham, auch selbst erlittenen schlimmen Dingen, einfach liegen.
Nur so konnte es passieren, dass auch die zunächst behütete Kindheit des Kinderbuchautors Paul Maar jäh endete, als der Vater aus dem Krieg zurück gekommen ist. Maar war mit der Stiefmutter im Krieg zu den Großeltern aufs Land im Fränkischen Obertheres geflüchtet, jetzt lebten sie wieder in Schweinfurt. „Dann ging das Prügeln los“, erzählte er vor kurzem in der „Süddeutschen“, „im Waschkeller, damit man meine Schreie nicht hörte, mein Vater nahm einen abgeschnittenen Schlauch. Ich musste unten auf ihn warten. Die Erfahrung prägt mich bis heute“. Eine Kindheit in Deutschland. Maar sagt, er werfe sich selbst vor, dass er seinem Vater nie gesagt hat, „wie schlimm es war“. Nach dem Tod des Vaters fand er dessen Briefe aus dem Krieg, in denen erkundigt er sich ständig bei der Mutter nach dem gemeinsamen Sohn. „Ich hätte lieber früher von diesen Briefen gewusst.“ Trotzdem war Maar so mutig, die selbstbewusste Tochter einer Künstlerfamilie, Nele Ballhaus, zu heiraten. Trotzdem hat er sich getraut, selbst Künstler zu werden. 2020 hat er seine Erinnerungen vorgelegt, sie heißen: „Wie alles kam“. Fischer-Verlag, 22 €.