Lee Miller war Model, Fotografin, Kriegsreporterin, begnadete Köchin. Auch als Model gehörte sie zu den Besten, den Schönsten, und sie war eine hervorragende Fotografin. Mit einer klaren Haltung. Als eine der sehr wenigen Frauen dokumentierte sie den Vormarsch der Alliierten wenige Wochen nach deren Landung in der Normandie. Sie war dabei bei der Befreiung von Buchenwald und Dachau – und wurde die Bilder, die sich dort eingenistet hatten in ihrem Kopf, die sie festgehalten hat mit ihrer Kamera, nicht mehr los. Sie verzieh den Deutschen nicht, wie auch. Ihre Fotos wurden in der „Vogue“ in Amerika und in England veröffentlicht, Lee Miller schrieb: „No question that German civilians knew what went on.“ Jetzt befasst sich eine Ausstellung in Hamburg mit ihr und ihren Arbeiten, die noch bis zum 24. September läuft und sehr sehenswert ist.
Zu sehen ist dort, im Bucerius Kunst-Forum, auch das ikonische Bild von Lee Miller in Hitlers Badewanne, aufgenommen an dem Tag, an dem Hitler sich erschoss, von ihrem Kollegen David E. Scherman, mit dem sie in Buchenwald und in Dachau gewesen war, auch von ihm in der Badewanne gibt es ein Bild. Vor der Badewanne jeweils ihre verdreckten Stiefel, mit denen sie in den Konzentrationslagern gewesen waren und die nicht zu ertragenden, niemals zu verdrängenden Bilder von toten Menschen, Menschen, die noch lebten, aber mehr tot als lebendig waren, gesehen und aufgenommen hatten. Am Badewannenrand ein Portrait des Diktators, irgendwo rechts auf einer Kommode noch eine Skulptur, die er wohl da stehen hatte. Die Bilder sagen: dass Hitler besiegt ist. Der politische wie der private. Miller und Schürmann wussten zum dem Zeitpunkt noch nicht, dass er nicht mehr lebt.
Ich war unheimlich gespannt auf diese beiden Bilder gewesen, ich hatte sie schon vielfach in Büchern gesehen, aber halt noch nie im Original. Sie waren dann gar nicht das, was mich am meisten bewegt hat in der Ausstellung. Am meisten bewegt hat mich ein Foto, das Lee Miller in Uniform zeigt, wie sie, quasi während der Befreiung Frankreichs, also 1944, Picasso besucht in dessen Pariser Atelier. Sie hatte mit Picasso mal was gehabt, er hatte sie mehrfach gemalt, sie waren weiter befreundet. Sie lächelt ihn an, sie ist mindestens so groß wie er, sie lächelt ihn an und wirkt irgendwie erleichtert. Darüber, dass sie hier sein kann, in der Uniform, unter den Umständen. Und er? Hat eine Hand in ihren Nacken gelegt und strahlt zu ihr herüber. Es ist ein Strahlen, das sich zusammensetzt aus Liebe und Stolz, es ist ein Geschenk von einem Strahlen, es ist überwältigend. Man meint, Picasso darauf denken zu sehen, voller Dankbarkeit, dass Lee Miller auf der richtigen Seite steht und kämpft. Er sagte zu ihr: „Der erste Soldat der Alliierten, der zu mir kommt, bist ausgerechnet du.“ Damals hat sie Buchenwald und Dachau noch nicht gesehen, aber man sieht ihrem Gesicht, ihrer Körperhaltung den Krieg schon an.
Genau das ist das Erschütternde an Lee Millers Leben. Sie, die als Model begonnen hatte, die entdeckt worden war von Condé Nast, dem Herausgeber der amerikanischen Vogue, weil der sie bei einem Verkehrsunfall rettete, wurde den Krieg nie wieder los. Ende der 50er Jahre verfrachtete sie ihre Kamera und die Negative auf dem Dachboden der Farm, die sie zwischenzeitlich mit ihrem Mann, dem Surrealisten Roland Penrose, in Sussex gekauft hatte. Sie fotografierte nicht mehr. Sie war von dem, was sie gesehen hatte, komplett traumatisiert, sie trank zuviel, auf den Fotos, die man von ihr sieht in der Ausstellung, raucht sie fast immer. Lee Miller starb mit 70 Jahren, sie sah später älter aus als sie war. Mit Penrose hatte sie einen Sohn, Antony, über den es ein entzückendes Bilderbuch gibt, das heißt: „Der Junge, der Picasso biss“ und davon handelt, dass er eben mal im Überschwang beim Spielen den Maler der Maler gebissen hat und Picasso ihn dann im Affekt zurückbiss. Das Buch erzählt vor allem von Picasso, auch ein wenig von Lee Miller. Picasso hat sie auf ihrer Farm besucht.
Die letzten Jahre, vielleicht Jahrzehnte ihres Lebens widmete Lee Miller dem Kochen. Die Farm wurde zum Treffpunkt der Londoner Künstlerszene, Lee Miller sammelte dort 2000 Kochbücher an, sie machte Gourmetkurse. Sie war auch mal in Ägypten verheiratet gewesen, und die ägyptische Küche floss in das, was sie am Herd zauberte für sich und die vielen Freunde, ein.
Ach ja, das kommt in der Ausstellung nicht vor, aber ich weiß es: Sie war Fotografin geworden, weil sie irgendwann nicht mehr vor der Kamera stehen wollte, sondern hinter der Kamera. Also? Reiste sie nach Europa, nach Frankreich, nach Paris, suchte Man Ray auf. Der war aber nicht zuhause, ihr wurde mitgeteilt, er reise sowieso am nächsten Tag nach Südfrankreich. Witzigerweise trafen sie sich abends in einer Kneipe. Sie sagte zu ihm: „Ich komme mit nach Südfrankreich“, er sagte: „lieber nicht“, sie: „doch“. Sie kam mit. Sie wurden ein Paar, und die Fotografie war die gemeinsame Leidenschaft, sie fingen unter anderem, nachdem Lee Miller in der Dunkelkammer mal das Licht angemacht hatte vor Schreck, weil eine Maus reingelaufen war, an, in der Dunkelkammer mit Überbelichtungen zu experimentieren. Dass sie ihn später verließ, verkraftete er nur schwer.
Lee Miller sagte: „Den Gestank Dachaus in meiner Nase bin ich nie wieder losgeworden.“
Die Ausstellung heißt: „Lee Miller. Fotografin zwischen Krieg und Glamour“. Diesen Sommer ist auch ein Roman über Lee Miller erschienen, bei Bertelsmann, Titel: „Die Frau in Hitlers Badewanne“.