„Dieses masslose Sehnen nach Freiheit“

Emmy Hennings. Über ihre Zeit in München schrieb sie mal: "Mir war, als ströme mir die Fülle des Lebens (...) von allen Seiten zu."

Für alle Münchner und München-Besucher: In der Monacensia, die ohnehin IMMER einen Besuch wert ist, kann man gerade eine sehr sehr schöne und auch bewegende Ausstellung über die Frauen der Bohème an der Isar ansehen, „Frei leben!“ Es geht darin natürlich um die Gräfin, Fanny zu Reventlow, die in Lübeck, wo sie herkam, ein ziemlich bequemes Leben hätte führen können, der aber an Bequemlichkeit überhaupt nichts lag. Es geht um Emmy Hennings, die so, wie sie aussah, auch heute durchaus en vogue wäre, und um Margarete Beutler, auch Schriftstellerin (und Übersetzerin). Was die drei sagten, was sie schrieben, wie sie lebten – das rührt einen noch immer zutiefst an. Die Reventlow, die es fertig brachte, niemandem zu sagen, wer der Vater ihres Kindes, des „Göttertiers“ Rolf war: „Ich will und muss einmal frei werden. Es liegt nun einmal tief in meiner Natur, dieses masslose Streben, Sehnen nach Freiheit. Ich muss gegen alle Fesseln, alle Schranken ankämpfen, anrennen…“ Und Emmy Hennings, die 1912 im Simplicissimus Hugo Ball kennenlernte, der erste Künstler, der die Schriftstellerin in ihr erkannte: „Ich hab keine Lust, mich einem anderen Gesetz unterzuordnen als dem heiligen Eigensinn.“ Und Beutler: „Die Liebe stellte mich auf einen Hügel und hiess mich Umschau halten… In dieser Zeit ward mein Knabe empfangen in reiner, freier Liebe, denn ich bin… nicht für eine Dauerehe geschaffen… ich weiß nur, dass ich eine große Zukunftsneugierde in mir trage.“ Jedenfalls die Gräfin und Hennings bezahlten die Unabhängigkeit äußerst teuer – beide mussten sich zwischendurch prostituieren. Einfach, um überleben zu können. Darüber schrieb Fanny zu Reventlow, deren Tagebücher übrigens unbedingt lesenswert und ganz klar Literatur sind, nichts in ihren privaten Aufzeichnungen, sie beließ es bei Andeutungen: „All diese Sachen schreibe ich nicht einmal auf und niemand weiß davon. Man muss sogar sich selbst gegenüber diskret sein.“ Die Ausstellung ist schön gemacht, und ein Café in der Monacensia gibt es auch.

„Frei leben! Die Frauen der Boheme 1890 – 1920“ geht bis Juli 2023.