Tove Ditlevsen, geboren 1917, ist eine dänische Schriftstellerin, die zwar im eigenen Land früh bekannt geworden ist und einige Romane schrieb – aber den internationalen Durchbruch hat sie erst lang nach ihrem Tod, jetzt nämlich, erfahren. Der Aufbau-Verlag hat die drei schmale Bände umfassende Geschichte ihres Lebens vor kurzem neu beziehungsweise erstmals übersetzen lassen, gerade wird die „Kopenhagen-Trilogie“ in 16 weitere Sprachen übertragen.
Was zum einen natürlich daran liegt, dass im Moment die sogenannten „wahren Geschichten“ in der Literatur wie im Kino boomen; zum anderen ist, was Ditlevsen schreibt, einfach beste Literatur. Sie hat eine wunderbare, klare Sprache, und sie entwirft Bilder, die einem lange im Kopf bleiben: wie sie als Kind versucht, nicht auf das Bild in der Küche zu schauen, auf dem eine Matrosen-Frau traurig aufs Meer blickt, weil dann die Mutter so komisch lacht; wie der Vater ihr, seinem jüngeren Kind und seiner einzigen Tochter, manchmal über die Haare strubbelt und dabei „hehe“ sagt, die Hand aber sofort zurückzieht, wenn die Mutter, seine Frau, zu ihm rüberguckt. Wie sie als Kindergartenkind, längst „durchdrungen“ von Wörtern, deren Klang sie einfach nur tröstet, abends im Fensterrahmen sitzt und in den Himmel schaut oder auch auf die Straße, wo die Gestrandeten des eigenen Viertels sich herumtreiben.
Ditlevsen wurde in arme Verhältnisse hineingeboren, sie hat nie eine besondere Bildung erhalten – und war sich dessen immer bewusst. Sie war mehrfach verheiratet, einmal wahrscheinlich dann auch glücklich, sie hatte Kinder. Als sie schon eine Tochter hatte, in der zweiten, halbglücklichen Ehe steckte, rutschte sie, so erzählt sie es im dritten Band, der „Abhängigkeit“ heißt, ab in eine Tablettensucht, die sie drei Jahre ihres Lebens und Schreibens kostete und vielleicht am Ende auch das Leben überhaupt. Die Schreibmaschine, die für sie immer Rückzugsort und Zuflucht bedeutet hatte, erkannte sie in dieser schlimmen Zeit nur noch schemenhaft – man erträgt es kaum, davon zu lesen. Über das Schreiben sagte sie einmal: „Schreiben heißt, sich selbst auszuliefern, sonst ist es keine Kunst. Man kann das verschleiern, aber letzten Endes schreibt man doch immer über sich selbst.“ 1968, mit 51 Jahren, hat sich Tove Ditlevsen umgebracht.
Die Bände heißen „Kindheit“, „Jugend“ und „Abhängigkeit“, Aufbau-Verlag, je 18 €.