Heuer ist Caspar David Friedrich-Jahr, der deutsche Maler der Romantik wurde vor 300 Jahren geboren. 1774. Er starb 1840, acht Jahre vor der bürgerlichen Revolution. 31 Jahre vor der Reichsgründung. Florian Illies hat über ihn ein unheimlich schönes Buch geschrieben, es heißt „Zauber der Stille“. Die Kapitel sind benannt nach den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde, das Leben von Caspar David Friedrich wird also nicht chronologisch erzählt, sondern nach Themen, was attraktiv ist – übrigens auch für jede Biographie.
Dabei hat Friedrich, erfährt man als Leser, nie naturgetreu gemalt, es war damals schon unmöglich, die Original-Schauplätze seiner Werke, von denen, liest man gleich im ersten Kapitel „Feuer“, viele verbrannt sind, aufzusuchen – es gab sie nämlich nicht. Nur in Friedrichs Kopf. Er setzte die üblichen Bestandteile Bäume, Berge, Felsen, Meer zusammen, wie es ihm passend erschien. Am meisten Mühe gab er sich immer beim Himmel, man durfte ihn ja immer im Atelier besuchen, nur wenn er am Himmel arbeitete, ließ seine Frau Line niemanden rein. Sie sagte den Leuten dann: „Jetzt malt er gerade die Luft, jetzt darf man ihn nicht stören, denn wissen Sie, Himmelmalen ist für ihn wie Gottesdienst.“
Er züchtete Kanarienvögel, er war schlecht darin, Menschen von vorn abzubilden oder Liebe darzustellen, schreibt Illies. Er war ein „Spargeltarzan mit rotem Backenbart und schleppendem Gang“, Sohn eines Seifensieders und Kerzenziehers. 1787 fiel er beim Spielen mit dem Bruder ins Eiswasser, sein Bruder zog ihn raus und rettete ihm also das Leben und starb selbst kurz drauf an Herzversagen. Caspar David Friedrich, in Greifswald geboren, studierte an der Akademie in Kopenhagen, ab 1798 lebte er in Dresden.
Ich habe einige Lieblingsstellen im Buch, eine spielt 1798, nach unglücklicher Verliebtheit schreibt Friedrich seinem engsten Vertrauten, dem Maler Johan Ludvig Lund, nach Paris: „Vor einiger Zeit kam ich auf einen dollen Einfall, ich wollte nämlich wissen, ob’s wohl möglich wäre, wenn ich mich recht herzhaft in mein Bette würfe, durch und durch zu fallen. … Ich probierte es und glücklich brach ich durch.“
Ans Herz ging mir auch die Tatsache, dass er wieder und wieder versucht hat, mit Goethe Kontakt aufzunehmen, aber der Geheimrat ließ sich ziemlich bitten. 1805 schickte er ihm zwei Zeichnungen, er illustrierte ein Goethe-Gedicht. Im Gegensatz zu Goethe hasste er Napoleon.
Als sein vielleicht kühnstes Bild bezeichnet Illies, der ja schönerweise immer einordnet, der dem Leser mitteilt, was er hält von dem, was er erzählt, den „Mönch am Meer“, 1810 entstanden, Friedrich hat das Gemälde ständig überarbeitet, es hatte auch mal Boote enthalten, am Ende blieben nur der Mönch, das Meer und 19 Möwen. Goethe, der ihn dann doch mal aufsuchte, sah die Arbeit im Atelier von Friedrich, er konnte damit nicht viel anfangen. Im Gegensatz zu Heinrich von Kleist, der gleich schrieb, es sei, wenn man den Mönch am Meer anguckt, „als ob einem die Augenlider weggeschnitten wären“. Gekauft hat das Bild dann der preußische König für seinen Sohn Friedrich Wilhelm, der untröstlich war nach dem Tod der Mama.
Caspar David Friedrich, der immer im abgedunkelten Atelier arbeitete, der das Licht, das er so toll malen konnte, in sich selbst fand, war nach Aussage eines Freundes der „Unpaarste der Unpaaren“, also das Gegenteil eines geselligen, sozial geschmeidigen Menschen. Er ging gern spazieren, täglich ging er spazieren, immer in der Dämmerung. 1818 heiratete er doch, er selbst sagte mal: „Ihr nennt mich Menschenfeind, weil ich Gesellschaft meide. Ihr irrt Euch, ich liebe sie. Doch um die Menschen nicht zu hassen, muss ich den Umgang unterlassen“ – das reimt sich sogar.
Lieblingsstelle zwei im Buch: Was Friedrich 1815 der jungen Malerin Louise Seidler schreibt, die ihm Süßkram geschickt hat: „Eben stecke ich ein Stückchen davon in den Mund. … Ganze drei Monate hat sich der Eisbär, dessen Sie sich so gütig erinnern, an der Küste der Ostsee herumgetrieben und zu öftern sich in die grünlichen Fluten getaucht. Und hat gesehen Seehunde ihr nasses Haupt aus den Wellen erheben und wieder in die Tiefe zurückkehren. Und habe gesehen der Kreaturen des Meeres gar mancherlei Art, wie sie leben und wie sie gelebt haben vor Jahrtausenden und zu Stein geworden sind. Und habe gehöret der Möwen klagendes Geschrei, schwebend über den empörten Fluten und sich hinab stürzen sehen in die Tiefe ihre Nahrung zu suchen. Und habe gesehen, das Schönste, was je Menschenwitz hervorgebracht: Schiffe mit schwellenden Segeln.“
Dritte Lieblingsstelle: dass er, obwohl er ihn so anhimmelt, auf Goethes Bitte, für ihn Wolkenformationen zu malen, eben nicht eingeht. 1816 teilt er unbeirrt dem Dichter mit: „Nein. Das ist nicht meine Auffassung von Kunst.“
Schließlich, das ist auch noch eine Passage, die ich geliebt habe an der Lektüre, jetzt weniger wegen Friedrich, sondern deshalb, wie Illies über Friedrich schreibt. Dabei geht es darum, dass 1824 Friedrich nur unordentlicher Professor an der Akademie in Dresden wird – und nicht die Professur für Landschaftsmalerei bekommt, die er natürlich bekommen hätte müssen. Illies schreibt, den Zuständigen sei sein Demokratentum ein Dorn im Auge gewesen, und ihnen war auch zu trübsinnig, was Friedrich malte. Dann: „Sie haben Angst, dass er damit die Jugend verdirbt, darum geben sie ihm den Posten nicht, diese Idioten.“
Sein berühmtestes Bild ist der „Kreidefelsen auf Rügen“.
Friedrich, wie gesagt, starb 1840 – und wurde sofort vergessen. Er hatte, ehe er starb, alle Briefe, die er je bekommen hatte, verbrannt. 1901 brannte es dann auch in seinem Geburtshaus in Greifswald. Das Anwesen ist längst restauriert und Sitz des Caspar David Friedrich-Zentrums.