„Das sind Menschen. Das sind wir.“

In der Villa am Großen Wannsee fand am 20. Januar 1942 die wohl mörderischste Konferenz in der Geschichte statt: Die Teilnehmer besprachen die geplante Ermordung von elf Millionen Jüdinnen und Juden in Europa. Foto: ZDF / Konrad Waldmann

Die sogenannte „Endlösung der Judenfrage“ ist bekanntlich auf der Wannseekonferenz besprochen und beschlossen worden von den Nationalsozialisten. Die Konferenz, die den größten Massenmord in der Geschichte zum Inhalt hatte, fand am 20. Januar 1942 statt, heuer vor 80 Jahren, sie dauerte eineinhalb Stunden. Danach gab es für die 15 Beteiligten ein spätes Frühstück, mit Lachsbrötchen und Filterkaffee.

Jetzt hat das ZDF das Geschehen neu verfilmen lassen, und interessant ist an diesem dritten Spielfilm über die eineinhalb Stunden in dem Erholungsheim der SS am Großen Wannsee, dass Regisseur Matti Geschonneck verzichtet hat darauf, zwei der Beteiligten als Gegenspieler von Heydrich, der zur Konferenz geladen hatte, zu inszenieren. Auch Friedrich Wilhelm Kritzinger und Wilhelm Stuckart hätten, meinte er in einem SZ-Interview, nicht wirklich „moralische Zweifel“ am Völkermord vorgetragen. Kritzinger hatte zu bedenken gegeben, die deutschen Soldaten könnten das millionenfache Morden unter Umständen nicht verkraften, und Stuckart, der maßgeblich an den Rassegesetzen von 1935 mitgewirkt hatte, meinte, Mischlinge solle man besser kastrieren als vergasen.

Der Film basiert wie auch die Vorgängerfilme auf dem Protokoll, für das während der Sitzung die einzige Frau im Raum mitstenografierte, Ingeburg Werlemann. Geschrieben hat es dann aber Eichmann, ihr Chef, zusammen mit Heydrich, es gab 30 Ausfertigungen, eine einzige ist erhalten. Und natürlich wurde der aktuelle Forschungsstand als Grundlage genommen fürs Drehbuch.

Neben der Tatsache, dass man es nicht fassen kann, es einfach nicht zusammenbringt, dass es hier bei dieser Konferenz, die so banal klingt mit ihren kleinen Kompetenzrangeleien wie eine ganz normale Vorstandssitzung, um das Leben beziehungsweise das möglichst effiziente Ermorden von elf Millionen Menschen geht, wundert es einen, wie smart Heydrich dargestellt ist. Reinhard Heydrich, Chef des Reichsicherheitshauptamts und Gastgeber der Konferenz, galt als die Inkarnation des arischen Menschen, er stilisierte sich selbst zur „schwarzen Ikone“, er war kalt, ein radikaler Antisemit. Zuhause spielte er Geige. Geschonneck meinte gegenüber der SZ, er habe den Schauspielern gesagt, sie sollten Menschen darstellen, keine Nazis. Er sagt, und das ist das, was einen den Film so schlecht aushalten lässt, wobei man ihn natürlich genau so verstehen muss: „Das am Wannsee waren keine Ungeheuer. Sondern das waren zum größten Teil promovierte Juristen, hohe Staatsbeamte. Das war mal Gegenwart, vor nicht langer Zeit. Was ich auch den Schauspielern sagte: Das sind Menschen! Das sind wir! Es ist kein Monsterspektakel. Sondern eine Konferenz, die in ihrer Struktur, ihrer Tonlage einer Vorstandssitzung gleicht.“ 

Nicht alle hatten im Vorfeld gewusst, was sie erwartet. Dass man die Juden mit Gas ermorden wollte, war für manche neu. Andere hatten schon Praxiserfahrung mit dem Genozid, Rudolf Lange etwa hatte erst am Vortag 1000 Juden in Riga erschießen lassen. Von den Beteiligten wurden nach 1945 nur drei, inklusive Eichmann, zum Tode verurteilt. Heydrich war schon wenige Monate nach der Konferenz, im Juni 42, an den Folgen eines Attentats in Prag gestorben. Zwei Konferenzteilnehmer, einer davon Lange, hatten sich umgebracht. Alle anderen kamen mit teils sehr geringen Strafen davon oder wurden bald begnadigt. Gerhard Klopfer ging in der Bundesrepublik bald wieder seinem Beruf als Rechtsanwalt nach in Ulm. Er starb als letzter Teilnehmer der Konferenz 1987.

Ingeburg Werlemann, eine überzeugte Nationalsozialistin übrigens, die irgendwann berichtet hatte, es sei für sie bei der Konferenz nicht einfach gewesen, mitzuschreiben, weil viel durcheinander geredet worden sei, trennte sich nach dem Krieg von ihrem Mann und lebte künftig mit einer Frau zusammen, mit Käthe Werth, die eine bekannte Fotografin wurde und unter anderem für die Regierung Brandt arbeitete. Kritzinger war offenbar der einzige, der in Nürnberg zugab, bei der Konferenz dabei gewesen zu sein und auch ihren verbrecherischen Inhalt einräumte.

Begleitend zum Spielfilm finden sich in der ZDF-Mediathek zahlreiche Hintergrund-Informationen zum Thema.