Ich hab grade den neuen Meyerhoff gelesen. „Man kann auch in die Höhe fallen“ ist ja – auch – eine Mutter-Sohn-Geschichte, der Erzähler, also Meyerhoff, ist dem hektischen Berlin entflohen, um für zehn Wochen im reetgedeckten Haus der Mama und vor allem in deren Riesengarten in der Nähe der Ostsee ein bisschen aufzutanken. Dazwischen erzählt er absurd komische Geschichten aus seiner 30-jährigen Erfahrung als Schauspieler, er erzählt von seiner Kindheit, auch von den Talenten, die die Mutter gehabt hätte, die zu entfalten sie im Leben aber kaum eine Möglichkeit hatte.
Einmal, in einer Nacht mit einem Riesenmond, sind die beiden, was die Idee der sehr unternehmungslustigen 86-jährigen Mutter gewesen war, aufs Scheunendach gekraxelt. Jetzt liegen sie da oben, sie gucken in den Sternenhimmel, plötzlich fängt die Mutter an, ihr Leben zu erzählen. Beziehungsweise sagt sie, es gäbe von diesem Leben zwei Versionen, in der einen ist sie die, die immer nur erdulden musste, was passierte, in der zweiten gestaltet sie, was passiert, auch mit – und sucht sich eben ihre Nischen. In jedem Fall sind ihr zwei Männer gestorben und ein Kind, in der ersten Variante sagt sie: „… und jetzt bin ich ganz allein“, in der zweiten berichtet sie vom Glück, sich im Alter quicklebendig zu fühlen. Sie sagt: „Das sind meine beiden Geschichten, mein lieber Sohn, und ich habe lange gebraucht, bis sie zusammengefunden haben und zu einer Geschichte geworden sind.“
Die verschiedenen Versionen des eigenen Lebens aufzuschreiben, sich selbst zu erzählen also, ist bestimmt eine gute Idee. Und hilft vermutlich dabei, die Versionen am Ende, was ja das Ziel sein sollte, zusammenzufügen zu einer einzigen Geschichte.
„Man kann auch in die Höhe fallen“ ist wieder sehr lesenswert, am Schluss schluchzt man sich durchs vorletzte Kapitel. Mindestens eine der erzählten Anekdoten ist so lustig, heißt: so genial auf den Punkt erzählt, dass man eine Lesepause einlegen muss – um gescheit lachen zu können.