Von Arno Geiger gibt es einen neuen Roman. Er heißt „Das glückliche Geheimnis“, und wahrscheinlich werde ich ihn lesen. Ich habe einiges gelesen von Arno Geiger, und fast alles davon hat mir sehr gut gefallen. In einem Interview, das er vor kurzem der SZ gab anlässlich des Erscheinens des neuen Romans, erzählt Geiger, dass er, als er Mitte 20 war und voller Zweifel, ob er je ein Schriftsteller werden würde, der vom Schreiben leben könnte, ob er je eine erfüllende Beziehung führen würde, also: ob er in der Lage wäre, das Leben zu meistern, anfing, in Altpapiertonnen zu wühlen. In Altpapiertonnen in Wien. Er wühlte in diesen Tonnen in aller Früh, und während er von Tonne zu Tonne pilgerte, begegnete er anderen Menschen, die auch im Müll wühlten, aber nie in Altpapiertonnen. Geiger zog aus diesen Altpapiertonnen Tagebücher, die Menschen darin entsorgt hatten, und er sagt, das, was er fand und dann mit heimnahm und daheim dann las, habe ihn verändert: „Ich bin mir selbst weniger fremd geworden. Ich habe beim Lesen gedacht: Die anderen sind auch komisch, ich bin nicht der Einzige. Das entspannt. Ich habe dem Abfall so viel zu verdanken, als Mensch. Diese Alltagsschriften zu lesen… war für mich eine Schule des Lebens…“ Geiger ist immer am Montag in der Früh losgezogen, um in den Altpapiertonnen zu wühlen, er entwickelte ein Geschick darin, in die 800-Liter-Tonnen überhaupt reinzukommen, einmal transportierte er 35 Tagebücher mit dem Radl nach Hause. Einmal fand er auch ein Buch von 1519. Einmal einen Baedeker von 1843, in dem klebte ein Zettel: „Dieses Buch ist sehr wertvoll!“.
25 Jahre lang hat Geiger immer wieder in Altpapiertonnen rumgestöbert, inzwischen hat er damit aufgehört. Genau darum, ums Wühlen in den weggeworfenen Aufzeichnungen fremder Leute, geht sein neuer Roman. Im Interview sagte Geiger, der selbst sehr wenig besitzt, weil er von vielen Dingen findet, dass er sie einfach nicht braucht, dass auch der Verzicht auf Bewunderung einem einen „Zugewinn an Freiheit“ verschafft: „Das Geheimnis Mensch wird, wenn jemand viel von sich preisgibt, meines Erachtens nicht kleiner. Eine Freundin, nachdem sie das Buch gelesen hat, hat gesagt: Je mehr ich über dich erfahre, desto mehr habe ich das Gefühl, dich nicht zu kennen.“ Deshalb sollten wir nie aufhören damit, das sage jetzt ich, uns selbst und denen, die uns umgeben, Fragen zu stellen. Wir können weder uns kennen noch die anderen.