Dieses Wochenende ist in der SZ ein unheimlich berührendes Interview mit dem Naturfilmer Rolf Steinmann – von Johanna Adorján. Steinmann, Jahrgang 1980, ist in München aufgewachsen, er war schlecht in der Schule und hatte Prüfungsangst und hat ganze Vormittage zusammengekauert in den Büschen unterm Friedensengel verbracht. Dann schenkte ihm seine Mutter einen Bildband über Alaska, das war’s. Im Interview sagt er: „Ich glaube, dass Du das Menschsein nie hundertprozentig verstehen kannst, wenn du nie Beute warst. Wenn du einmal erlebt hast, wie es ist, gleichgestellt mit einem Löwen oder einem Wolfsrudel in einer Landschaft zu leben, wo du relativ leicht Beute sein kannst, dann verstehst du plötzlich, woher der Animismus kommt. Also der Glaube, dass alles in der Natur eine Seele hat, göttlich ist. Alle Wesen sind gleichberechtigt.“
Das schönste Geräusch der Welt für ihn, sagt er, ist das Heulen des Wolfs. Er hat in Südgeorgien gedreht, in einer Walfangstation, die 1960 aufgegeben wurde. Anfangs hatten die Walfänger diese Bucht nie verlassen müssen, sie war voller Wale. Heute ist dort kein einziger mehr. Mehrfach sind Eisbären auf ihn, Steinmann, losgegangen, er konnte sich in letzter Minute retten. Er hat aber auch Eisbären gefilmt, die zum Spaß auf Eisschollen herumschlitterten, die zum Vergnügen Schlittschuh liefen in der Mitternachtssonne der Arktis, „die alles in Blau taucht“. Er sagt: „Ich habe so viel sehen und erleben dürfen. So viel Artenvielfalt. Die Wunder, die die Evolution hervorgebracht hat – nicht nur Tiere, sondern auch Urwälder, extremes Wetter, unglaubliches Licht. Und dann kommst du immer wieder in unsere Welt zurück, in der sich die Menschen ja nur noch ablenken. Auch das Schöngeistige geht ja total verloren. Man sieht nicht mehr so ausgeprägt eine Faszination für die Künste. Für all das Schöne, was der Mensch ja in den letzten Jahrhunderten auch geschaffen hat. Ich finde, dass auf allen Ebenen ganz viel verloren geht gerade. Auf der Naturebene ist es besonders augenscheinlich. … Ich persönlich halte diese Ignoranz eigentlich nicht mehr aus. Darum habe ich mich vor der Menschheit zurückgezogen. Ich lebe mit meinen Büchern und Filmen in einem kleinen Dorf in den bayerischen Voralpen. Ich bin ein Weltflüchtiger, ich halte die moderne Gesellschaft nicht mehr aus.“
Nach dem Interview reiste Rolf Steinmann nach Kenia, um Löwen zu filmen.