„Ich wünsch Dir, dass D‘ a recht a pfundiges Genie wirst“

Anatol Regnier ist Liedermacher, Chansonsänger, Gitarrist, Schriftsteller. Und er ist der Enkel von Frank Wedekind. Über seinen berühmten Großvater, den meistdiskutierten Dramatiker des frühen 20. Jahrhunderts, der ständig Probleme hatte mit der Zensur und auch mal mehrere Wochen im Gefängnis einsaß wegen Majestätsbeleidigung, hat er viel geschrieben. Der berühmte Großvater hatte ja auch eine berühmte Frau, die 20 Jahre jüngere Schauspielerin Tilly Wedekind. Die beiden Töchter der beiden waren gut mit den Mann-Kindern Erika und Klaus befreundet.

Jetzt hat Regnier mal zur Abwechslung ein Buch über sich selbst geschrieben, es heißt „Erinnerungen eines Taugenichts“. Am Rand handelt es natürlich wieder von den berühmten Großeltern, denn Tilly Wedekind, die ihren Mann um 52 Jahre überlebte, wohnte bei der Familie. Der kleine Anatol kriegte also mit, als etwa Erika Mann mit dem Sportwagen vorfuhr – und dann eine Stunde mit Tilly in einem Zimmer verschwand – wobei sicher kein nettes Gespräch geführt worden ist. Tilly hatte unter Gründgens in der NS-Zeit am preußischen Staatstheater gespielt, „mit“, so Regnier, der Billigung von Göring“. Erika Mann war da längst emigriert. Die beiden haben sich aber offenbar versöhnt.

Regnier, Jahrgang 1945, ist am Starnberger See geboren, später zog die Familie dann nach München. In den „Erinnerungen“ beschreibt er die Welt, die ihn als Jugendlicher umgab, geprägt von den Menschen und vor allem den Geschäftsleuten um ihn herum. Dem Kioskbesitzer, den er mal ärgerte und der ihn dann verfolgte, immer um seinen Kiosk herum, der miesepetrigen Fischverkäuferin, dem schönen Schuster, der Frau des Schusters, die mal ihr Gebiss versehentlich verfeuert hat. Im Café Freilinger saß im hinteren Teil oft Erich Kästner, der ein Kinderfeind war, Spitzname: „böser Onkel“. Regnier hat sein Buch vor kurzem mal wieder vorgestellt, er las genau die Passagen, die im Schwabing der 50er Jahre spielen, und auch wenn ich wirklich die Verlogenheit der 50er Jahre nie zurückhaben wollte, wurde ich doch wehmütig. Weil das Schwabing von heute mit dem Dorfleben von damals nichts mehr zu tun hat. Auch Regnier bekam noch mit, wie der erste Woolworth aufmachte, wie die Leute in Trauben den ersten Fernseher in einem Schaufenster bestaunten. 1961 ging er, um Gitarre zu studieren, nach England. Die nette Frau vom Schuster sagte ihm, mit inzwischen neuen Zähnen: „Ich wünsch Dir, dass D‘ a recht a pfundiges Genie wirst.“