Seine schlimme Lungenkrankheit, die Abwesenheit des Vaters in der Kindheit, die ungute Mama, der wiederum liebevolle Großvater, der viel zu früh starb, die unerträgliche Zeit im Internat, dann ein Erwachsenenleben, in dem er sich umgeben sah von Altnazis: Über all das hat Thomas Bernhard geschrieben in seinen Büchern. Er wäre heuer, 2021, 90 Jahre alt geworden, deshalb hat das Burgtheater in Wien an seinem Geburtstag, dem 9. Februar, ein paar Sachen von ihm und mit ihm einlesen lassen und auf die Webseite gestellt. Darunter auch ein Interview, das der legendäre André Müller für die „Zeit“ mit Bernhard geführt hat. Bernhard, der 1989 gestorben ist, sagt darin: „Ich bin immer wieder selbst überrascht, wie viele Leben man als das eigene ansieht. Die zwar alle miteinander Ähnlichkeit haben, aber eigentlich doch nur Figuren sind, die mit einem selbst genauso viel und so wenig zu tun haben wie irgendwelche andere Leben. Es stimmt ja immer zugleich alles und nichts – so wie ja auch jede Sache gleichzeitig schön und schiach ist, tot und lebendig, geschmackvoll und geschmacklos. Es kommt nur darauf an, wofür man gerade am empfänglichsten ist. Mein Standpunkt ist die Gleichwertigkeit aller Dinge. Auch der Tod ist für mich nicht außergewöhnlich. Ich red ja über den Tod wie ein anderer über eine Semmel.“
Und er sagt auch, es interessiere ihn beim Schreiben überhaupt nicht, wer später mal seine Sachen liest („Ich hab meinen Spaß am Schreiben, das reicht mir“), er sagt den lustigen Satz, dass Leute, die Kinder bekommen, nicht daran denken, dass es ja keine süßen Babies sind, die sie in die Welt setzen, sondern unter Umständen unangenehme Erwachsene, und er spricht auf sehr sehr schöne Art von seinem Platz auf dieser Welt: „Meine Situation kann nur die eines skurrilen … kleinen aufmucksenden Vogerls sein. Es macht halt irgendein Geräusch und dann verschwindet es wieder und ist weg. Der Wald ist groß, die Finsternis auch. Manchmal ist halt so ein Käuzchen drin, das keine Ruh gibt. Mehr bin ich nicht. Mehr verlang ich auch gar nicht zu sein.“ Der Wahnsinn ist, dass er dann – er, der die Gegenwart von Menschen kaum erträgt, gleichzeitig aber auch das Alleinsein kaum erträgt – am Schluss auf die Frage von Müller: „Und wenn Ihnen morgen die große Liebe begegnet?“ nicht antwortet: „Das wird nie passieren!“ Sondern der große, einsame, Bernhard, der mit der Verlogenheit der Welt so sehr gehadert hat, sagt: „Ich könnte es nicht verhindern.“
Bernhards Werk ist bei Suhrkamp erschienen.