„Nimmst du die Pfeife aus dem Mund?“

1038 Seiten, gerade erschienen: der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch.

Knapp fünf Jahre waren Ingeborg Bachmann und Max Frisch ein Paar. Die Beziehung, das ist bekannt, war kein Ponyhof, Frisch beschrieb, was die beiden in der eher letzten Phase verband, mal als „Zerfetzung“. Jetzt sind die Briefe, die sie sich schrieben und von denen sie sich viele schrieben, weil sie nur kurz zusammengewohnt haben und Bachmann ständig unterwegs war (und dann auch gern mit anderen Männern was anfing, u.a. mit Enzensberger), herausgegeben worden – in einem über 1000-seitigen Band, von dem aber etwa die Hälfte die vielen Anmerkungen der Herausgeber einnimmt.

Lesenswert ist das Ganze natürlich; einfach weil, was sich die zwei schriftlich mitteilten, auch Literatur ist und Literaturgeschichte, weil sie sich ja nicht nur schrieben, wie es ihnen geht, sondern auch, woran und wie sie arbeiten. Klar wird durch die Briefe erstmals, dass Max Frisch längst nicht so kalt und rational war, wie man ihm immer unterstellt hat. Noch recht am Anfang der turbulenten Beziehung, nachdem sie sich am 3. Juli 1958 in Paris erstmals getroffen hatten und dann schnell zusammengezogen waren, schreibt sie an ihn: „Ich ging so gern zu Dir hinüber ins Nebenzimmer, um Dich zu fragen, wegen der Beistriche, und für jeden müsste ich Dich dann einmal umarmen, oder viele Male, und für die Rufzeichen bekämet du lauter Küsse.“ Und er zurück: Er würde grade ihre Gedichte lesen, „von denen möchte ich ein Kind haben“. Bachmann war zu der Zeit schon ein Medienstar, ihre beiden Lyrikbände „Die gestundete Zeit“ und „Anrufung des großen Bären“ waren schon erschienen, 1954 war sie auf dem „Spiegel“-Cover gewesen.

165 Briefe von ihr an ihn sind erhalten, von ihm sind 80 Schreiben an Bachmann im Buch, wobei die meisten nur deshalb verfügbar waren, weil Frisch gern mit Durchschlag gearbeitet hat. In vielen Briefen, die sie einander schicken, in denen Bachmann oft voller Witz beschreibt, was sie unterwegs erlebt, schreiben sie auch komplett aneinander vorbei. Sie irgendwann an ihn: „Du hast irgendwann einen riesigen Stein verschluckt… Ich will die Steine rausoperieren aus Dir… Was bist du nur für ein Mensch.“ Im Frühjahr 1962, da hatte sie gerade, was der sogenannte „Venedig-Vertrag“ mit Frisch ihr ja auch gestattete, ein Techtelmechtel mit einem Journalisten, schreibt sie: „Ich will eine Wohnung für mich, ein Zuhause, das werd ich haben, in dem ich mich verstecken und heulen kann“, ein paar Monate später dann, nachdem schon nicht mehr spruchreif war, was Frisch anfangs gewollt hatte, nämlich, dass sie heiraten, wieder sie an ihn: „Ich versuche mich heranzutasten an meine Gedanken“, sie klagte über „Vertrauenslosigkeit in jeden Satz“ und fragte dann: „Schreibst du mir bald, mein lieber Bär?“, und: „Nimmst du die Pfeife aus dem Mund?“

Frisch hatte in der Zeit, in der sie zusammen waren, „Andorra“ geschrieben, dann „Mein Name sei Gantenbein“, an dem sie regen Anteil nahm. Sie arbeitete an ihrem Erzählband „Das dreißigste  Jahr“, den sie 1961 fertig bekam. Der Briefwechsel der beiden ist bei Suhrkamp erschienen, er heißt, das ist auch ein Zitat: „Wir haben es nicht gut gemacht“. Sehr bewegend. Man sollte mal wieder Ingeborg Bachmanns Gedichte lesen. Und „Montauk“ von Max Frisch, darin verarbeitet er die zerfetzenden, sicher auch wunderschönen Momente, die er mit seiner Schriftstellerkollegin erlebt hat.