„Anscheinend das Richtige“

Christa Nickels hier in einem anderen Moment, sie hat Helmut Kohl eine Kette aus lauter Kranichen überreicht - als Zeichen des friedlichen Protests gegen das atomare Wettrüsten der 80er Jahre. Bild: ©Majestic/DeutscherBundestag-PresseServiceSteponaitis  

Frauen haben in Deutschland seit 1918 das Wahlrecht. Sie können erst seit 1958 eigenständig ein Bankkonto eröffnen und bis 1977 mussten sie, ehe sie einen Job annahmen, erst den Mann fragen. Ob dem das eigentlich auch recht sein würde. Es ist unglaublich. Aber wahr. In der Politik sind Frauen erst ebenfalls seit den frühen 60er Jahren vertreten, die erste Ministerin war Elisabeth Schwarzhaupt, sie übernahm 1961 unter Adenauer das Gesundheitsressort – und erklärte dann fragenden Journalisten sehr freundlich: Ja, schon, sie würde gern als „Frau Ministerin“ angesprochen werden, die deutsche Sprache sehe ja immerhin die weibliche Form dieses Wortes vor.

Wer mehr darüber wissen will, wie Frauen sich dann trotz der amtstrunkenen, machtverwöhnten Männer zu behaupten begannen auf der politischen Bühne, wie sie einfach nicht aufgaben, trotz allem: Der schaut sich die Dokumentation „Die Unbeugsamen“ von Thorsten Körner an, die gerade in den Kinos läuft. Da sieht man dann, das fand ich am beeindruckendsten, wie toll die frühen Grünen waren. Waltraud Schoppe etwa, die mit ihren flammenden roten Haaren Wahnsinns-Reden gehalten hat, unter anderem in der Diskussion um den Abtreibungsparagraphen 218, um den so sehr gerungen worden ist. Sie wurde als Hexe beschimpft von den männlichen Kollegen, die männlichen Kollegen klopften sich während ihrer Rede, in der sie forderte, Vergewaltigung auch in der Ehe unter Strafe zu stellen, auf die Schenkel. Aber sie ließ sich überhaupt nicht beirren. Hinterher  meinte sie, die Reaktionen ihrer männlichen Kollegen betreffend: „Anscheinend habe ich das Richtige gesagt.“ Auch Petra Kelly kommt vor im Film, die unheimlich zarte Petra Kelly, die ja dann auch, wie schön ist das denn, „mehr Zartheit“ forderte in der Politik. Man könnte heulen, denn man weiß ja, wie es weiterging.

Aber man lernt auch etwa Hannelore Kohl mal von einer anderen Seite kennen, von einer sehr selbstbewussten nämlich. Man erlebt die mutige Hildegard Hamm-Brücher, die sich beim Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt für Helmut Schmidt aussprach – und damit dem eigenen Parteivorsitz in den Rücken fiel. Die FDP ist daran ja dann fast zerbrochen.

Und natürlich hört man voller Ehrfurcht die tolle Rede, die Christa Nickels, auch von den Grünen, gehalten hat im Zusammenhang mit der Wehrmachts-Ausstellung. Sie berichtete von ihrem Vater, den sie doch immer so geliebt hatte, von dem sie wusste, dass er auch in Russland gewesen war im Krieg, in Lemberg geriet er dann in Gefangenschaft. Aber irgendwann sah sie mal ein Foto von ihm, er trug eine schwarze Uniform mit einem Totenkopf drauf. Sie sagte, sie würde ihn noch immer lieben, aber. Sie sagte, die Generation ihres Vaters sei natürlich auch verheizt worden von den Nazis, getrieben worden dazu, sich an den Verbrechen zu beteiligen. Sie sagte, ihr Vater habe sich unfassbar schuldig gemacht. Sie sagte Sachen, die man nicht gern gleichzeitig denkt, und sie sagte dann auch, es sei so wichtig, endlich in Deutschland über all das zu sprechen.

Als ich aus dem Kino rausging, dachte ich, ich habe schon lang keine Rede mehr gehört von einem Politiker/einer Politikerin, die mich ähnlich bewegt hat.