Beim Fünfseen-Filmfestival habe ich einen Film über den Schriftsteller und Verleger Michael Krüger gesehen, der sehr schön ist. Krüger ist 79, zuletzt erkrankt an Leukämie, natürlich geht es in dem, was er sagt, was er angenehmerweise vor der Kamera ausführen kann, ohne unterbrochen zu werden, auch ums Sterben. Krüger sagt, er wolle vor allem noch schreiben, damit die „Trümmer“, die sich noch in seinem Kopf befinden, herauskommen. Und dann das Sterben eben auch im wörtlichen Sinn leichter geht. Er sagt: „Wenn wir wüssten, wie ein Gedicht entsteht, würden keine Gedichte mehr entstehen“, er sagt auch, dass ein Gedicht lange Zeit „im Körper herumwandert“ und entweder irgendwann rauskommt, aufs Papier, oder einfach kompostiert wird, „wie so vieles“. Und: „Je älter man ist, umso stärker spürt man, dass man nicht mehr Herr im eigenen Haus ist.“ Er spricht im Film viel über Bäume und erzählt von seinem Großvater, der einen Hof in Sachsen-Anhalt hatte, 1945 enteignet wurde, bei dem er, Jahrgang 1943, aufgewachsen ist. Die Eltern mit den drei Geschwistern: in Berlin. Der Großvater konnte über 100 Vögel an ihrem Stimmen erkennen, er war ein Spezialist für Kartoffeln, und er erklärte seinem Enkel die Natur. Krüger weiß, dass Schafe, ehe ein Gewitter kommt, die Köpfe „zusammentun“. „Woher weißt Du das“, fragt ihn der Filmemacher Frank Wierke.
Krüger erklärt im Film die Ordnung seiner Bibliothek, in der sich wahrscheinlich nur er selbst zurechtfindet. Er sagt, er liest im Jahr 300 bis 400 Bücher, gleichzeitig zieht er einmal in der Woche die Tagebuchaufzeichnungen von Kafka raus – und wahrscheinlich nicht nur die. Früher hat er 14 Stunden gearbeitet, abends selbst geschrieben, man weiß gar nicht, wo er die Zeit hernahm. Er kam nach der Vorstellung ins Kino, er sagte: „Ich hätte gern noch zusätzliche Sachen gemacht, es ist eine Zeitfrage.“
Im Film sagt er: „Die Bedingung von Schreiben ist Nicht-Schreiben“, und irgendwann, ehe sein Gedicht eingeblendet wird: „Das elfte Gebot. Du sollst nicht sterben. Bitte“ oder vielleicht auch danach, liest man auf der Leinwand die Zeilen, auch einem Gedicht von ihm entnommen: „Ich bin nicht geworden, der ich bin. Das ist meine Antwort.“
Der Film „Verabredungen mit einem Dichter“ ist ab 22. September im Kino zu sehen.