Was man von hier aus zugeben kann

„Was man von hier aus sehen kann“ von Mariana Leky ist keine Biographie, auch kein biographischer Roman, es wird darin überhaupt nicht nur von einem Menschen erzählt. Neu ist das Buch auch nicht, und trotzdem empfehle ich es hier, empfehle es wärmstens – ich hab es halt auch erst jetzt gelesen. Mit Begeisterung. Und lege es nun deshalb sowieso allen ans Herz, insbesondere aber auch allen, die grade ihre Lebensgeschichte aufschreiben, weil darin kleine psychische Auffälligkeiten, Ängste und Verschrobenheiten, über die wir ja alle verfügen und die im Buch fast alle Beteiligten quälen, unglaublich charmant beschrieben werden. Und weil man dann, wenn man das liest, die Scheu verliert, auch selbst davon zu berichten: dass man damals leider, als man den x traf, viel zu schüchtern war, um dem x normal zu begegnen und dass daran, von der Schüchternheit dem x gegenüber zu berichten, erst recht nicht zu denken war – dabei wäre genau das u.U. die Rettung aus dem ganzen Schlamassel gewesen.

Leky erzählt in ihrem schönen Roman von Selma, einer netten Großmutter, die weiß, was ihre Enkelin braucht, und Luise, dieser Enkelin, die zu schätzen weiß, was die Großmutter für sie ist, denn: Mama und Papa sind nicht greifbar, da entweder geistig nicht anwesend oder sowieso auf Reisen. Luise hat als Kind einen allerallerbesten Freund. Selma hat die seltsame Gabe, dass, ehe jemand stirbt im Dorf, sie von einem Okapi träumt. Mehr wird vom ersten Teil nicht verraten. Im zweiten Teil trifft Luise Frederik, der Buddhist ist und leider in Japan wohnt, mehr wird auch hierzu nicht verraten. Einen dritten Teil gibt es auch, zu dem wird gar nichts verraten.

Und außer Selma leiden alle an irgendwelchen psychischen Macken. Den Optiker, einen supernetten Mann, der Selma liebt, quälen innere Stimmen, die ihn beständig „anrempeln“, andere Dorfbewohner haben einen „Aufhocker“, der ihnen im Nacken sitzt und ihnen mit seiner Bösartigkeit die Luft abdreht, und die arme Luise, als sie den Frederik aus Japan trifft, bekommt auf der Stelle eine „Verstockung“. „Du bist ganz verschwommen“, sagt Frederik zu ihr, weil, siehe oben, wer eine Verstockung hat, sich natürlich auch nicht zeigen kann, nicht in Worten und auch nicht richtig in echt, im Bild.

Das Buch ist eine Ermunterung, endlich auch mal davon zu reden, was uns wirklich zu schaffen macht – denn alles andere ist eigentlich sinnlos. Weil x irgendwann die Lust verlieren wird, zu überlegen, was denn mit einem nur los sein kann. Und weil eben, alter Indianer-Trick, eine Verstockung möglicherweise verschwindet, wenn man sie anspricht.

Lekys Roman ist überdies sehr witzig – und sprachlich absolut souverän. Schön zu lesen.